Ist das Kunst oder kann das in die Asservatenkammer?

Ziemlich ruppig geht das Tageszeitungs-Feuilleton gerade mit der „Evidence“-Ausstellung (Evidence = Beleg, Beweismittel, Indiz) des chinesischen Künstlers Ai Weiwei in Berlin um. Cornelius Tittel in der „Welt“ missfällt die Selbstinszenierung des Künstlers als Märtyrer und es mangelt ihm in der Schau an künstlerischem Gehalt. Hanno Rauterberg in der „Zeit“ findet Ais politische Aussagen „auf wohlgeformte Weise anständig“, versucht einen Anlauf zur Differenzierung und landet dann doch beim vernichtenden Urteil „Dissidentenfolklore“.

Ich habe die Ausstellung nicht gesehen, aber natürlich hilft es sicher beim Verstehen der Werke im Gropius-Bau, wenn man weiß, dass die verbogenen Moniereisen aus den mies gebauten Schulen in Sichuan stammt, in deren Trümmern im Jahre 2008 Tausende ums Leben kamen. Ai engagierte sich für die Opfer, wurde bedroht, zusammengeschlagen, fast drei Monate lang eingesperrt, steht ständig unter Beobachtung. Wie sollte er sich nicht mit dem Verhältnis des Einzelnen zum Staat auseinandersetzen? Und sind eine Oper von Monteverdi oder ein Gemälde von Monet denn wirklich unmittelbar ohne jedes Wissen über ihren Kontext verständlich?

Ja, der Sohn des Dichters Ai Qing ist wohl der Deutschen Lieblingschinese. Muss man ihm das zum Vorwurf machen? Ist seine Kritik am politischen System der Volksrepublik für die Deutschen denn wirklich so bequem? Oder unterschätzt man hierzulande, wie Kia Vahland in der „Süddeutschen“ meint, den künstlerischen Sprengstoff für das müde, überwachte Europa? Der Marmor-Nachbau einer Überwachungskamera scheint mir deutlich mehr Sprachen zu sprechen als nur Chinesisch.

2 Gedanken zu „Ist das Kunst oder kann das in die Asservatenkammer?

  1. Neues Wort gelernt „Dissidentenfolklore“. Wenn man weiß, welch großartige zeitgenössische Künstler es zur Zeit in China gibt, kann man Ai Weiwei nicht als Künstler bezeichnen,.

Hinterlasse einen Kommentar